Freitag, 24. Juni 2011

Eine Nacht in Medellin

Es ist Samstag Abends kurz nach 11. Wir befinden uns in Medellin, einer Stadt im Landesinnern Kolumbiens. Um meine Schultern hängt ein grün-weisser Poncho, meine Kleider sind leicht feucht und meine Haare sind voller Mehl. Auch meine Ohren sind voller Mehl. Und der Rest meines Kopfes. Wenn ich ehrlich bin mag ich ja eigentlich kein Mehl im Gesicht. Besonders nicht Samstag Abends um 11, aber heute ists irgendwie ok. Die Situation ist etwas absurd. Ich schaue meine Freunde an und sehe mein Spiegelbild. Da stehen wir also,4 nasse, mehlbedeckte, ponchotragende Europäer. Und ob ihrs glaubt oder nicht, in diesem Moment fallen wir weniger auf als sonst.

Aber erst einmal der Reihe nach.

Wir hatten Glück. Wir waren zufälligerweise zur rechten Zeit am rechten Ort. Am Samstag war ein grosser Tag für Medellin. Das lokale Fussballteam hatte die Chance kolumbianischer Meister zu werden. Das erste der beiden Finalspiele ging auswärts 2:1 verloren. Den Leuten hier war das scheinbar scheissegal, der Optimismus.. sagen wir mal "Fussaball-Schweiz-untypisch". Das änderte sich auch nicht, als, im nun allesentscheidenden Spiel nach einer verdienten 2:0 Führung, in guter, alter GC-Manier, nach 92 Minuten noch der Anschlusstreffer fiel. Die Konsequenz: direkt in die Lotterie (= Penaltyschiessen). Den Leuten schiens nach wie vor relativ scheissegal zu sein, alle feierten als wäre nichts passiert. Ich in ihrer Situation hätte dann (Achtung Spoiler-Alert) wohl schon etwas früher als geplant über meinen Poncho erbrochen.. Die haben wir übrigens in der Pause gekauft. Wir dachten es wären Schäle. Nun gut, es waren Ponchos, aber das war dann auch nur noch eine Randnotiz als das Team aus Medellin im Penaltyschiessen tatsächlich gewann. Wir erhofften uns dies alle sehr, waren aber auch leicht ängstlich, da wir keine Ahnung hatten, wie diese grün-weisse Masse, bestehend aus südamerikanischem Temperament und Alkohol auf solch einen Erfolg reagieren würde. Jetzt wissen wirs.

Die Leute, ob alt oder jung, männlich oder weiblich drehten völlig durch. Die Erleichterung und pure Freude in den Gesichtern der Einheimischen liess erahnen, dass der scheinbar unbegrenzte Optimimus im Vorfeld doch nicht ganz so unbegrenzt war. Überall wurde getanzt, umarmt, gesungen, getrunken, gehüpft, gelacht und geschrien. Als Girlandenersatz musste Schaum herhalten und statt Konfetti gabs Mehl. Ob Touri oder eingefleischter Fan war ganz egal, alle waren gemeinsam glücklich. Wir freuten uns, dass sie sich freuten und sie freuten sich, dass wir uns für sie freuten. Wir gaben Ihnen Rum, sie gaben uns sonst was Hochprozentiges. Wir sangen Ihre Lieder und sie fragten uns was uns an Kolumbien am meisten gefällt (die richtige Anrtwort, ob Frau oder Mann ist übrigens: "die Frauen"). Alle lachten gemeinsam und jede Sprachbarriere wurde durch ein einfaches "high five" überwunden. Ein riesiges Geben und Nehmen, emotional sowie physisch. Die ganze Stadt war ein grosser Freundeskreis.

Und so standen wir also da, um 11 Uhr in Medellin, in vom Schaum aufgeweichten Ponchos voller Mehl und einem Lachen im Gesicht. Die Nacht nahm dann so ihren Lauf, wie das halt so ist. Einige von uns feierten bis zum Morgengrauen, anderen überschätzten sich ein wenig und gingen halt etwas früher schlafen. Aber alle wachten am nächsten Tag gesund auf und waren dankbar Teil dieses unglaublichen Ereignissen gewesen zu sein.

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